Ateliers von Europa: Ein visueller Liebesbrief, der die wenigen verbleibenden Werkstätten für traditionelle dekorative Kunst dokumentiert, darunter auch das Hauptquartier von Bauwerk in einem deutschen Schloss.
Ateliers von Europa: Ein visueller Liebesbrief, der die wenigen verbleibenden Werkstätten für traditionelle dekorative Kunst dokumentiert, darunter auch das Hauptquartier von Bauwerk in einem deutschen Schloss.
Über Jahrhunderte hinweg dienten Ateliers in ganz Europa als Orte, an denen Künstler ihr Handwerk ausüben und ihre Fähigkeiten weitergeben konnten. Leider ist diese Tradition in der heutigen Zeit geschwunden, so dass nur noch eine Handvoll dieser Werkstätten existiert. Die überlebenden Ateliers, ob historisch oder zeitgenössisch, sind jedoch für die Herstellung einiger der berühmtesten Objekte der Welt in einem breiten Spektrum von Kunsthandwerken wie Buchbinderei, Mosaik, Keramik, Stoffe und mehr verantwortlich. Während der Restaurierung und Neugestaltung mehrerer historischer französischer Brasserien entdeckte der Innenarchitekt John Whelan die stille Welt der Ateliers und war bei jedem Besuch aufs Neue fasziniert. "Was mich beeindruckte, war die unbeabsichtigte Schönheit dieser Räume", sagt Whelan. "Fast jedes Atelier, das ich besuchte, verfügte über außergewöhnliches natürliches Licht, aber vor allem hatten die Räume eine Authentizität, die scheinbar daraus entstand, dass die Funktion Vorrang vor dem Stil hatte". Diese Begegnungen inspirierten Whelan dazu, eine visuelle Sammlung zusammenzustellen, eine Hommage an diese Arbeitsplätze, die Künstler und ihre generationenübergreifenden Techniken. Gemeinsam mit dem Fotografen Oskar Proctor reiste er durch Europa und hielt diese Werkstätten in ihrem unveränderten Zustand fest, um sie für die Nachwelt in dem wunderschönen Bildband "Ateliers und Werkstätten: Dekorative Kunst in Europa" zu bewahren.
Auch wenn Bauwerk Colour nicht das historische Ansehen eines Ateliers aus dem 15. Jahrhundert besitzt, so stellen wir doch Farben her, deren Erbe Jahrhunderte umspannt. Unsere Kalkfarben wurden ursprünglich für Restaurierungsprojekte hergestellt, was sehr passend ist, da unser Hauptsitz und Zuhause ein Schloss aus dem 18. Jahrhundert ist und fortwährend saniert wird. Es ist daher eine Ehre für uns, in diesem Buch neben so versierten Künstlern zu erscheinen. Das Buch ist zweifellos faszinierend, von den behandelten Themen über die atmosphärische Bildsprache bis hin zu Whelans leidenschaftlicher Dokumentation und seinen Texten.
Wir konnten nicht umhin, John Whelan zu bitten, ein wenig mehr über seine Erfahrungen bei der Recherche und Entwicklung dieses Projekts zu erzählen...
Was ist dir an der Erhaltung und Würdigung dieser Werkstätten und Ateliers wichtig?
Alles! Für mich verkörpern diese Ateliers alles, was in der Welt gut und würdevoll ist - man könnte sogar sagen heilig. Die noble Anstrengung, mit den eigenen Händen zu arbeiten. Die unprätentiöse Schönheit der Räume, die durch die systematische Wiederholung von Arbeiten entsteht. Es gibt eine gewisse Demut gegenüber dieser Arbeit, die im Gegensatz zu der Hybris des technologischen Zeitalters, in dem wir leben, zu stehen scheint.
Gab es irgendwelche großen Überraschungen - hast du etwas entdeckt, das du nie in einem solchen Arbeitsbereich vermutet hättest?
Ja. Ich würde sagen, die Farbbibliothek des Orsoni in Venedig hat mich umgehauen. Regale und Regale mit den kleinsten Farbverläufen in farbigen Glasfliesen. Es strahlte etwas Erhabenes und Majestätisches aus, wenn die Lichter ausgeschaltet waren und die Farben im natürlichen Licht leuchteten.
Gab es etwas, das du von den Werkstätten, die du besucht hast, für dich mitgenommen hast? Etwas, das du in deinem Arbeitsbereich oder in deinem Zuhause umsetzen möchtest - sei es ein Einrichtungsgegenstand, eine Farbe, ein Ritual... oder eine Lebenseinstellung?
Es gibt viele Dinge, die ich metaphorisch mit nach Hause genommen habe, oder besser gesagt, die ich als persönliches Ethos verinnerlicht habe. Es gibt ein französisches Sprichwort, das übersetzt heißt: "Der Schuster hat immer die schlechtesten Schuhe". Als Designer sind meine Wohnräume nicht ganz so glamourös oder poliert, wie man es erwarten würde. Ich verbringe die meiste Zeit damit, an andere Dinge zu denken, und lege daher wenig Wert auf die Gegenstände, die mich umgeben. Ich bestehe jedoch auf "atelierartige" Dimensionen mit hohen Decken, natürlichem Licht und Ordnung. Wie bei den meisten der in diesem Buch vorgestellten Ateliers ist alles, was mich umgibt, zwangsläufig antik, denn ich kaufe eigentlich keine neuen Sachen.
Fast alle der hier gezeigten Ateliers haben etwas gemeinsam - manche mögen es Unordnung nennen, aber für mich sind es Ebenen voller Geschichte. Diese Räume sind keine makellosen Arbeitsorte. Da liegen Werkzeuge auf Materialien, obendrauf Bücher auf Tischen, die mit Bergen von anderen Materialien bedeckt sind... es wirkt, als würden sie ihre eigenen Zeitkapseln schaffen. Hast du ein Bild davon bekommen, ob das etwas über den Schwerpunkt der Arbeit, den Stil der Kunstwerke oder etwas ganz anderes aussagt?
Das hast du ganz richtig beobachtet - ich würde es allerdings als "geordnetes Chaos" bezeichnen. Es scheint eine Menge los zu sein, aber wenn man genau hinsieht, ergibt alles einen Sinn. In einem Atelier gibt es sehr wenig "Unordnung", nur Dinge, die an ihrem Platz sind, während die Arbeit ausgeführt wird und bevor sie am Ende des Tages weggeräumt werden.
Wenn du einen bestimmten Ort für dich auswählen könntest - welcher wäre es?
Ich würde mir wahrscheinlich einen Schreibtisch und einen Stuhl inmitten der historischen Holzpaneele bei Feau & Cie aufstellen. Da könnte ich stundenlang sitzen und sie wären eine unendlich inspirierende Büroumgebung. Vielleicht werde ich das eines Tages irgendwo verwirklichen (!)
Du hast dich auf dieser Reise auf Europa konzentriert - gibt es ein Atelier in einer anderen Region der Welt, das du gerne besuchen würdest? Jeder Kontinent muss eine sehr unterschiedliche Ästhetik, Arbeitsweise und Tradition aufweisen...
Ja. Ich würde diese Erfahrung eines Tages sehr gerne in Japan wiederholen. Ich habe das Gefühl, dass die Stimmung dort ganz anders, aber ebenso inspirierend sein würde.
Die Reise zum Buch begann, als du Zulieferer für ein Projekt gesucht hast. Hast du seit den Arbeiten an dem Buch irgendwelche "Produkte" aus diesen Ateliers in deine Entwürfe einbauen oder nutzen können?
Wir haben mit Ateliers Nectoux an der Gestaltung eines riesigen Zink-Comptoirs für den Terminus Nord in Paris gearbeitet, und auch mit Bauwerk haben wir schon einige Male zusammengearbeitet! Außerdem entwickeln wir derzeit eine Möbelkollektion mit Orsoni-Mosaik, die erstmals bei der Eröffnung unserer Galerie in Paris im September 2023 zu sehen sein wird.
Du hast erwähnt, dass du Bauwerk Kalkfarben in deinen Projekten benutzt - welche Erfahrungen hast du gemacht?
Ja, das haben wir, vor allem das "Baltic"-Blau an den Wänden eines privaten Showrooms / Apartments für eine Kaviar-Marke und auch ein Off-White an den Wänden unserer Galerie in Paris. Ich persönlich halte es für die beste Farbe, weil sie einen leicht patinierten Effekt hinterlässt, der an den Lauf der Zeit erinnert. Außerdem mag ich ihre natürlichen, atmungsaktiven Eigenschaften, die dafür sorgen, dass die Luft in einem mit Bauwerk gestrichenen Raum spürbar besser eingeatmet werden kann. Das ist keine Überraschung, wenn man bedenkt, dass die meisten anderen Farben mit synthetischen Chemikalien hergestellt werden.
Einen besonderen Dank an John Whelan, dafür, dass du uns nicht nur in dein Buch aufgenommen hast, sondern auch für das aufschlussreiche Gespräch. Oskar Proctor, du hast außerdem einen Moment in unserem Hauptsitz eingefangen, der aus unserem "organisierten Chaos" Schönheit macht.
'Ateliers und Werkstätten: Dekorative Kunst in Europa" ist bei Prestel Publishing erschienen und kann ab sofort im Buchhandel erworben werden.
